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Deutscher Kader für Frauen-Fußball-EMVollendung eines langen Puzzlespiels

Bundestrainer Christian Wück nominiert seinen Kader für die Fußball-EM. Überraschungen bleiben aus. Auch Wackelkandidatin Cora Zicai ist dabei.

Cora Zicai bei ihrem Länderspieldebüt im vergangenen November gegen die Schweiz Foto: Eibner/imago

Kindergekreische und Fahrgeräusche sind gewiss nicht Alltag, wenn ein Bundestrainer seinen Kader für ein Turnier präsentiert. Christian Wück saß im Europa-Park in Rust in einem fast schon kitschig anmutenden Schweizer Bergdörfchen, als seine 23 Spielerinnen für die Frauen-EM (2. bis 27. Juli) über den Monitor flimmerten.

Derweil waren Kinder mit den Namen seiner Auserwählten in die Schweizer Bobbahn gestiegen. Bloß sollen die deutschen Fußballerinnen im nächsten Monat keine Achterbahnfahrt hinlegen. „Wir wollen mit einer Mischung aus Spielfreude, Begeisterung, Willen und Überzeugung agieren – dafür steht dieser Kader. Ich glaube, wir haben eine sehr, sehr hohe Qualität in unserem Kader – auf allen Positionen. Aber das haben auch viele andere Nationen. Den Unterschied wird das Team ausmachen“, erläuterte der Bundestrainer.

Rückenwind hätten auf jeden Fall die überzeugenden Auftritte in der Nations League gegen die Niederlande (4:0) und Österreich (6:0) gegeben. „Der Weg wurde mit den letzten Ergebnissen auch auf dem Platz sichtbar. Der 52-Jährige hatte nach seinem Amtsantritt im August 2024 ein langes Casting vorgenommen. So manche Irrtümer in allen Mannschaftsteilen waren dabei. Doch vielleicht gerade noch rechtzeitig hat das Ensemble zuletzt eine lang vermisste Stabilität entwickelt. Wück nannte es eine Puzzlearbeit, 23 Protagonisten zu finden, „die am besten harmonieren“. Der Überraschungseffekt hielt sich deswegen am Donnerstag in Grenzen. Das Grundgerüst hatte längst gestanden.

Der mit den deutschen U17-Junioren überaus erfolgreiche Nachwuchsförderer berief mit Cora Zicai im letzten Moment noch eine talentierte Kreativspielerin. Die zum VfL Wolfsburg wechselnde 20-Jährige hat eigens noch am Dienstag ein MRT machen lassen. Es gebe die „klare Aussage von den Ärzten“, so Wück, dass die in einer fußballbegeisterten Familie in Freiburg aufgewachsene und beim Sport-Club ausgebildete Zicai zu Beginn des Trainingslagers am 19. Juni in Herzogenaurach wieder belastbar ist. Zu früh kommt die EM allerdings für die erst 18-jährige Alara, die zwar ähnliche Anlagen einbringt, aber auch noch keine Stammkraft beim FC Bayern ist, der mit sieben Doublesiegerinnen den größten Block stellt.

Kein Problem mit Strandurlaub

Grundsätzlich stimmt für den Bundestrainer der Mix aus „Erfahrung und Unbekümmertheit“. Das Durchschnittsalter beträgt 25,6 Jahre, sieben Spielerinnen sind noch ohne Turniererfahrung. Beim Übungscamp im Frankenland wird bewusst kein Testspiel mehr bestritten – auch nicht hinter verschlossenen Türen. Das derzeit Giulia Gwinn und die meisten Mitspielerinnen fleißig Urlaubsbilder posten, ist für Wück vollkommen in Ordnung. Zum einen seien Trainingspläne ausgegeben, zum anderen sei Abschalten gewünscht: „Die verlieren nicht viel von ihrer Athletik, wenn sie mal eine Woche am Strand liegen: Ich war doch selbst Spieler: In dem Alter willst du spätestens nach einer halben Stunde wieder was unternehmen.“

Obwohl der Olympiadritte Deutschland auch in der neuen Fifa-Weltrangliste als Dritter hinter USA und Spanien geführt wird, wollte der Bundestrainer nicht so offensiv vom EM-Titel reden wie Julian Nagelsmann vom WM-Triumph. Er sei „überzeugt, dass wir ein gutes Turnier spielen werden. Wir können eine gewisse Euphorie in Deutschland und intern entfachen. Dann ist alles möglich.“

Immerhin für Sportdirektorin Nia Künzer ist aus der Erfahrung als Spielerin diese Mission im Nachbarland „mit dem Zielbild Titel“ verknüpft. Auf den achtfachen Europameister warten nach dem Auftaktspiel gegen Polen in St. Gallen (4. Juli) noch Dänemark in Basel (8. Juli) und Schweden in Zürich (12. Juli) im kompakten 16er-Format. Im Viertelfinale drohen Hochkaräter wie Frankreich oder Titelverteidiger England. Von dort waren die deutschen Fußballerinnen trotz des verlorenen Finals 2022 als „EM-Heldinnen“ zurückgekehrt – und dafür am Frankfurter Römer nach beherzten Auftritten ausgiebig abgefeiert worden. Elf Akteurinnen sind jetzt erneut dabei.

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